Das Schweizer Kreuz durch die Luft fliegen

 

Im Jahr 2012 hat er mit dem Ausbildungsstart zum Piloten den ersten grossen Schritt gemacht, um seinen Traum zu verwirklichen. Mittlerweile wird der Huttwiler Raphael Stuker seit Anfang Jahr als Co-Pilot auf Langstreckenflügen eingesetzt. Zurzeit muss der 32-Jährige aber auf dem Boden bleiben.

Huttwil · In den letzten Wochen hat er sich immer mal wieder danach gesehnt. «Vor allem wegen dem vielen Regen», meint er. Schliesslich habe er in seinem Beruf ein grosses Privileg, das anderen nicht vergönnt ist. «An regnerischen Tagen oder bei dichtem Nebel kann ich die Wolkendecke durchstossen und habe, selbst wenn beim Start- und Zielort schlechtes Wetter herrscht, für ein paar Stunden Sonne.»
Raphael Stuker ist Pilot bei der Swiss und mittlerweile auf Langstreckenflügen unterwegs. Als Sommerkind, wie er sich selbst nennt, habe er während den zwei etwas düsteren Wochen zuletzt die Sonne sehr vermisst – vor allem auch, weil Corona die Swiss-Flotte auf den Boden zwang. Seit Mitte März hat der 32-Jährige keinen einzigen Flug mehr absolviert, und Besserung ist heute und morgen noch nicht in Sicht. «Ich hoffe, dass ich im August wieder fliegen darf. Zurzeit wird die Flotte schrittweise wieder in Betrieb genommen. Weil ich aber noch in der Ausbildung für Langstreckenflüge bin, muss ich womöglich noch etwas zuwarten.» Und sowieso müsse er, bevor er sich wieder ins Cockpit wagen darf, einen Check mitsamt Training absolvieren, um die Fluglizenz aufzufrischen. «Verlernt habe ich nichts, aber so ist es sicherer», meint er. Ungeachtet davon sei die Vorfreude auf diesen Moment bereits gross.

Fliegen war immer schon ein Thema
Langweilig sei es ihm aber dennoch nicht, über drei Monate ohne jeglichen Arbeitseinsatz zum Trotz. «Wir teilen die Haushaltsaufgaben normalerweise auf, in den aktuellen Zeiten entlaste ich meine Freundin vermehrt. Sie arbeitet in der Pflege und hatte deshalb nicht frei.»
Ansonsten widme er sich öfter seinen Hobbys, darunter dem Modellfliegen, zumeist in Huttwil, wo er der Modellfluggruppe «MGH» angehört. «Fliegen und Flugzeuge waren schon immer meine Leidenschaft», sagt er dann und erinnert sich an seine Schulzeit zurück: «In der Schule und zuhause waren es zuerst die Papierflieger, dann habe ich aus leichtem Holz Flieger gebastelt, später dann war ich von den Modellflugzeugen begeistert.» Schon immer habe er in die Luft geschaut, wenn irgendwo etwas gesurrt habe, einmal, so sagte er jeweils, wolle er auch dort oben sein und dort arbeiten. «Begründen oder diese Leidenschaft beschreiben ist sehr schwierig», sagt er aber ebenfalls. Klar war aber dennoch rasch, dass nach der Modellfliegerei der nächste Schritt nur noch die richtige Fliegerei sein kann. «Ich habe mit 17 Jahren mit dem Segelfliegen begonnen und mich parallel dazu fürs Qualifikationsverfahren «SPHAIR» bei der Swiss gemeldet.» Nachdem er eine Zeit lang als Polymechaniker arbeitete, entschied er sich im Jahr 2010, mit 22 Jahren für die einjährige Selektion bei der Swiss. Im Jahr 2012 konnte er dann die intensive, etwa zweijährige Ausbildung als Pilot bei Swiss Aviation Training beginnen.

Gewappnet für alle Fälle
Bedenken habe es auf diesem Weg nie gegeben, Flugangst schon gar nicht. «Respekt habe ich. Immer. Und das gehört auch dazu, um diese Arbeit seriös zu erfüllen», findet Raphael Stuker. Schliesslich würden die Passagiere ihm sein Leben anvertrauen, diese Aufgabe nehme er ernst. Daneben zitiere auch er gerne die altbekannten Statistiken, die besagen, dass es kein Transportmittel gibt, das sicherer ist. «In einem Flugzeug ist fast alles doppelt oder gar dreifach vorhanden. Aus-serdem sind wir für den Extremfall geschult, das Verhindern oder Antizipieren von Gefahren ist neben den fliegerischen Herausforderungen ein wichtiger Bestandteil des Jobs.» Dass Piloten aufgrund der grossen Verantwortung eine besondere Wertschätzung von der Gesellschaft erhalten, habe er auch schon erfahren, auch sein Umfeld beispielsweise reagierte beeindruckt. «Ich durfte meine Familie auch schon auf einem Flug mitnehmen und ihr meine Arbeit zeigen. Ich fand das sehr schön und sie waren begeistert.» Als Pilot habe man schliesslich auch das Gefühl, alles im Griff zu haben. Flugangst oder generell die Angst, dass etwas passieren könnte, rückt deshalb in den Hintergrund. Was bleibt ist aber auch mit der steigenden Berufserfahrung der gesunde Respekt. Daran änderte bisher auch der mehrjährige Einsatz im Cockpit nichts.

Nizza und London sind Highlights
Ganz im Gegenteil: Die Begeisterung scheint noch zu steigen. Zahlreiche Destinationen konnte er schon anfliegen, weitere sollen folgen. «Istanbul war, zumindest auf dem alten Flughafen, eher mühsam anzufliegen, weil man oft weite Umwege fliegen musste», erinnert sich Raphael Stuker, «Nizza hingegen war immer ein Highlight, weil man nahe über die Stadt fliegt und es sehr anspruchsvoll ist, weil es eher eng ist.» Weil er seit Anfang Jahr nun als Co-Pilot auf Langstreckenflügen eingesetzt wird, habe er auch schon mehrmals New York angeflogen, besonders gefallen habe ihm aber auch London, als er noch auf der Kurzstrecke flog. «Die Parks, gerade im Frühling und Sommer, sind dort besonders schön.» Wenn er deshalb nach der Landung Zeit habe, verbringe er die Stunden gerne mit Sightseeing. Aber: «Der Schlaf hat Priorität. Vor allem auf Langstreckenflügen fliegt man meist nachts zurück – dann muss man wach und fit sein.»

Präzision und Professionalität
Dass Raphael Stuker seinen Job gerne macht, wird im Gespräch mit ihm offensichtlich. Auch dass er stolz ist, überhaupt fliegen zu dürfen. Für eine andere Gesellschaft als die Swiss habe er indes nie arbeiten wollen, auch weil er nicht im Ausland leben wollte. «Für die Swiss zu arbeiten macht mir Freude. Ich fliege das Schweizer Kreuz sehr gerne durch die Luft», sagt er. In seiner Arbeit könne er schweizerische Grundwerte vertreten, das schätze er, sagt er und zählt Präzision und Professionalität zu diesen ihm wichtigen Punkten. Ausserdem stecke in der Swiss trotz oft gehörten Kritikpunkten weiterhin viel Swissness drin, und dies wisse er genauso zu würdigen wie oftmals auch die Passagiere. Entsprechend wolle er in den nächsten Jahren denn auch die Karriereleiter bei dieser Gesellschaft weiter erklimmen. «Man beginnt als Co-Pilot auf Kurzstreckenflügen und wechselt dann auf Langstreckenflüge. Dann folgt eine intensive Ausbildung zum Kapitän, ehe man auch als Kapitän zuerst Kurz- und dann Langstreckenflüge befliegen darf», sagt der Berner. Für ihn sei es ein Ziel, irgendwann als Kapitän auf Langstreckenflügen zu arbeiten, zuerst aber stehen noch vier Ausbildungsflüge als Co-Pilot auf Langstreckenflügen an, sobald es Corona zulässt. «Ich versuche meinen Beitrag zu leisten, in dem ich mich an die Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit halte», sagt Raphael Stuker und hängt an: «Dafür geht es dann hoffentlich bald wieder richtig los.»

Von Leroy Ryser